Tag 16, 23. Juni 2023
Ich weiß nicht wohin mit meinen Füßen, deshalb werde ich nachts oft wach. Am linken Fuß tut mir die Blase am kleinen Zeh weh und am rechten Fuß die Verse. Hoffentlich reicht der eine Ruhetag morgen aus, damit sich meine Füße erholen.
Bin außerdem etwas erkältet, und meine Stimme ist arg angeschlagen. Irgendwas ist doch immer.
In der Hoffnung, ein schönes Café zu finden, womöglich noch in der Sonne, begebe ich mich in die Altstadt. Ich finde auch tatsächlich ein Café in der Sonne, und unter regem Spatzenbesuch auf meinem Tisch genieße ich einen Milchkaffee und würde gerne auch ein ausgiebiges Frühstück haben. Es ist nicht zu fassen, tagelang gibt es nur Tortilla und Bocadillos, und hier gibt es zur Abwechslung Tortilla-Bocadillos! Wenn es nicht so deprimierend wäre, würde ich mich auf den Boden werfen vor lachen.
Ich bestellte noch einen zweiten Kaffee in der Hoffnung meinen Darm zur Arbeit motivieren zu können, was mir mit mäßigem Erfolg gelingt. Diesmal weniger Ziege, eher Richtung Schaf, bin also auf bestem Weg zur Normalität.
Einen Bus gibt es nicht, zumindest habe ich kein gesehen, also laufe ich die zweieinhalb Kilometer nach Decathlon. Ich gehe langsam, das ist nicht so schmerzhaft. Leider ist es ziemlich heiß und unangenehm hier entlang der lauten und stinkigen Hauptstraße, aber da muss ich durch, denn ich brauche nunmal dringend bequeme Trail Running Schuhe und einen Hüttenschlafsack, in dem ich nicht friere und nicht so eingeengt bin.
Ganz zufrieden um meine Ausbeute bin ich dann allerdings nicht, denn den Hüttenschlafsack, so wie ich ihn mir vorstelle, gibt es hier nicht, und Schuhe habe ich erst gar keine bekommen. Habe jetzt einen sechshundertachtzig Gramm schweren Kunstfaser Schlafsack gekauft und wünschte, ich hätte meinen Daunenschlafsack nicht nach Hause geschickt. Aber wenigstens ist dieser hier einhundertfünfzig Gramm leichter und das Packmaß geringer.
Zusätzlich habe ich noch einen Massageball gekauft für meine Fußsohle. Darüber werde ich ab jetzt jeden Abend meine Füße abrollen. Und dehnen, ich vergesse andauernd mich zu dehnen, ist aber auch wichtig!
Auf dem Rückweg von Decathlon kaufe ich im Supermarkt Joghurt, eine Banane, einen Pfirsich, eine Paprika, Käse, eine Avocado und Kekse für meine Siesta auf meinem Zimmer. Dabei schaue ich einen Film von meinem USB Stick auf dem großen Fernseher, und zwar den unserer Afrika Reise von vor drei Jahren, als ich mit David, Papa und unsere Freundin Uschi dort war. Zum Ende dieses Films werde ich immer ganz wehmütig. Da ist dann diese Abschiedsstimmung, und auf einmal sind Papa, Uschi und David nicht mehr da, dabei waren sie doch gerade noch bei mir im Zimmer. Ich hasse Abschiede.
Irgendwie bleibt diese Stimmung, und so gehe ich raus und hoffe mich ablenken zu können. Wie gerne würde ich jetzt Angela wieder treffen.
Meine Laune steigt, als ich in einem Sportgeschäft Trail Running Schuhe bekomme, und noch dazu der Marke Altra! Solche wollte ich, da sie vorne so schön weit sind. Andrew hat auch so welche, allerdings ein anderes Model.
Ich trage die Schuhe direkt auf dem Rückweg und hoffe, daß ich damit in Zukunft schmerzfrei wandern kann. Sie fühlen sich fantastisch an, und so schlendere ich noch zwei Stunden bequemen Fußes durch Burgos, immerzu nach Angela Ausschau haltend, leider erfolglos. Warum nur haben wir keine Nummern ausgetauscht?
Auf dem Plaza Mayor ist eine große Bühne aufgebaut, und überall sind irgendwelche Blaskapellen mit Pauken und Trompeten.
Es ist Freitag, die Menschenmassen ziehen in die Stadt, und ich? Ich gehe zurück ins Hotel. Ich mache irgendwie immer alles andersrum.
Unterwegs komme ich an einer Bar vorbei. An einem Tisch sitzen Flo, Julia, Roly, Justin und ein paar andere Leute, die ich aber nur kurz begrüße und mich dann verdünnisiere, denn ich habe heute keine Lust auf so viele Menschen auf einmal.
Flo hat heute seine Freundin bei sich. Er hat kurz den Camino verlassen um sie vom Bahnhof in Madrid abzuholen. Später erzählt er mir, daß er sich schon über diesen Tag mit seiner Freundin gefreut hat, schließlich haben sie sich lange nicht gesehen. Trotzdem beschreibt er die Situation als surreal, denn er fühlte sich dadurch nicht mehr so wirklich als Teil des Caminos. Seine Freundin war auf einmal zwischen all seinen neuen Camino Freunden hier in Burgos, das passte irgendwie nicht. Da war ein Stück Realität in seinen Traum eingedrungen, und so ganz kann er nicht sagen, ob ihm der kurze Besuch gut getan oder nicht.
Verstehe ich absolut.
In meinem Zimmer höre ich den ganzen Abend die Musik aus der Altstadt. Die arme Angela wohnt direkt in einem Hotel daneben.
Ich bin schon längst eingeschlafen, da geht um halb zwölf mit einem unglaublich lauten Knall noch ein Feuerwerk los, das mindestens zwanzig Minuten dauert. Ich stehe fast senkrecht im Bett vor Schreck.