Jakobsweg 2023

Ich pilgere 800 Kilometer zu Fuß quer durch Spanien, von Saint-Jean-Pied-de-Port in Frankreich über die Pyrenäen durch Navarra, das Baskenland, La Rioja, Kantabrien, Asturien und Kastilien-León bis nach Santiago de Compostela in Galizien.

Boadilla del Camino – Carrión de los Condes

Tag 19, 26. Juni 2023

Gestern Abend war es schon arg windig, und heute morgen immer noch und außerdem ziemlich kalt. Der Holländer und der Franzose schlummern noch in ihren Zelten, als ich mich früh vom Acker mache.
Es sind sechs Kilometer bis nach Frómista, eine ganze Weile geht es am Canal de Castilla entlang. Bis zur Industrialisierung Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde der Kanal viel für den Transport innerhalb Kastiliens genutzt. Mich erinnert das hier stark an Ostfriesland von der Landschaft her, der Kanal könnte glatt der Dortmund-Ems Kanal sein.

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Carrión de los Condes – Terradillos de los Templarios

Tag 20, 27. Juni 2023

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann kramen sie noch heute. Es ist nicht zu fassen, Geknister hier, Geraschel da, einen Wecker brauche ich nicht. Ich hingegen habe bei dem kleinsten Geräusch, das ich mache, schon ein schlechtes Gewissen, komme dadurch aber auch so gut wie gar nicht voran, weil bei mir alles in Zeitlupe abläuft. Das perfekte Vorgehen wäre eigentlich am Abend zuvor alles zu packen und am nächsten Morgen alles andere, was man für die Nacht benötigt hat, nach draußen zu tragen und dort zu Ende zu packen. Heute morgen dauert es bei mir eine ganze halbe Stunde, bis ich fertig bin.
Als ich den Rucksack endlich aus dem Schlafraum raus habe, putze ich meine Zähne und verlasse die Herberge durch die Garage, denn die Eingangstür bleibt bis halb sieben verschlossen. 

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Terradillos de los Templarios – Bercianos del Real Camino

Tag 21, 28. Juni 2023

Es sind heute morgen um sechs Uhr gerade mal vierzehn Grad Celsius, ziemlich ungemütlich. Ich packe schnell alles zusammen, baue das Zelt ab, wasche mich am Brunnen mit zwei Fingern und sehe zu, daß ich in Bewegung komme. Meine lange Wollhose und den Schlafpulli habe ich direkt angelassen. So wird mein Husten bestimmt nicht besser.

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Bercianos del Real Camino – Mansilla de las Mulas

Tag 22, 29. Juni 2023

Nachts ist die Luft im Zimmer zum Schneiden dick. Ich stelle fest, dass die Spanierin-Frau die Jalousie vom einzigen Fenster an ihrem Bett komplett runter gelassen hat und somit überhaupt keine Luft mehr ins Zimmer kommt, dabei war es den ganzen Tag schon stickig, trotz geöffneten Fensters. Ich öffne die Tür zum Flur, um zumindest den Mief raus zu lassen.

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Mansilla de las Mulas – León

Tag 23, 30. Juni 2023

Hilfe, ein Erdbeben! Ach doch nicht, meine Mitschläferin im Bett unter mir hat sich umgedreht. Ich werde von heftigen Nachbeben erschüttert, als sie um halb sechs beginnt ihr Zeug zusammen zu packen.
Lukas ist längst fertig und macht sich schon auf den Weg nach León, was auch mein heutiges Ziel ist.

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León – Villar de Mazarife

Tag 24, 01. Juli 2023

Was für ein Tag. 
Ich merke zunächst gar nicht, wie dick die Luft im Schlafsaal ist, bis ich nachts zur Toilette muß und die Tür zum Flur öffne. Die mir entgegen strömende Frischluft sorgt sofort für Schnappatmung bei mir. Irgendwann werde ich noch ersticken auf dem Camino.
Völlig sauerstoffunterversorgt werde ich morgens erst wach, als Maria mir beim Packen mit ihrer Kopflampe direkt ins Gesicht scheint. Schlaftrunken stehe ich auf und scheitere am Chaos im Bad, denn da sind sage und schreibe gerade mal zwei Waschbecken und zwei Toiletten. Ich will nur weg hier und verlasse die Herberge gegen halb sieben ohne mich zu waschen. 

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Villar de Mazarife – Astorga

Tag 25, 02. Juli 2023 

Ich verlasse Villar de Mazarife noch in der Dunkelheit.
Und es beginnt direkt am Ortsausgang: Das längste und geradeste Geradeaus, das ich je gesehen habe! Zuerst erkenne ich das Ende der Straße nicht, weil es dunkel ist und später erkenne ich es nicht, weil da keins ist, jedenfalls nicht in den nächsten acht Kilometern. Das muss man sich mal vorstellen, eine asphaltierte Straße, die auf acht Kilometern total gerade verläuft. Es gibt sicherlich längere, aber sowas zu Fuß zu gehen macht schon was mit einem.

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Astorga – Foncebadón

Tag 26, 03. Juli 2023

Morgens koche ich mir unten in der Küche heißes Wasser, weil ich gestern gelesen habe, daß heiße Getränke am Morgen die Darmflora anregen. Während ich das köstliche Nass schlürfe, verarzte ich meine Füße, denn meine rechten Ferse ist mittlerweile eine einzige Blase. Ich klebe ein Pflaster darüber, weil ich Angst habe, daß das Riesending aufplatzt und sich entzündet, wenn es offen an der Socke scheuert. Sämtliche anderen Druckstellen polstere ich mit der Schafwolle, die ich vor ein paar Wochen kurz hinter Cirauqui an dem ominösen Wegweiser gefunden habe.

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Foncebadón – Ponferrada

Tag 27, 04. Juli 2023

Es ist noch nicht ganz hell, als ich schnellen Schrittes die einhundert Höhenmetermeter den Monte Irago rauf in Richtung des berühmten Cruz de Ferro eile. Ich friere und wünschte, ich hätte mich wärmer angezogen. Es sind nur elf Grad, aber der Wind lässt es kälter wirken. Frösche quaken, Nebelschwaden umhüllen die Berge, und es ist Vollmond. Wie gerne würde ich all das fotografieren, aber auf Fotos kommt diese gespenstisch schöne Atmosphäre überhaupt nicht zur Geltung.

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Ponferrada – Villafranca del Bierzo

Tag 28, 05. Juli 2023

Die weißen Vorhänge sind dann doch eher suboptimal, wie wir in der Nacht feststellen. Es steht nämlich eine Laterne direkt vor den Fenstern, und es war ohne Übertreibung so hell im Zimmer, daß ich ein Buch hätte lesen können. Weil ich aber so erschöpft war, schlief ich trotzdem den Schlaf der Gerechten, wie eigentlich jede Nacht auf dem Camino.

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