Tag 7, 14. Juni 2023
Mit einem heftiges Rumoren im Bauch wache ich morgens auf. Ich kann gerade noch schnell genug aus dem Zelt raus und erleichtere mich direkt daneben. Oh nein, bitte nicht. Im Minutentakt hinterlasse ich jetzt eine Riesensauerei, die ich versuche mit herumliegender Pappe abzudecken. Ich fühle mich grauenhaft, schon allein deswegen, weil ich meinen Zeltplatz so schmutzig zurück lasse.
Ich esse fünf Kohletabletten, die ich mir kurz vor meiner Abreise in Deutschland auf Anraten noch gekauft habe, damit ich zumindest ohne Unfall bis in den nächsten Ort nach Estella komme. Während ich darauf warte, dass die Tabletten wirken, buche ich ein Zimmer mit eigenem WC in einem Hostel. Ich fühle mich schwach und müde. Woher kommt das nur?
Es hat nachts geregnet, mein Zelt ist pitschnass. Mir ist aber alles egal, ich packe mein Zeug lieblos zusammen und sehe zu, dass ich hier weg komme.
Es sind nur knappe vier Kilometer bis zum Hotel in Estella, aber die haben es heute in sich. Unterwegs trinke ich mein letztes Wasser, was mir etwas Sorgen macht. Und da passiert wieder ein kleines Camino Wunder, denn just in dem Moment ist da ein Hinweisschild zu einem Brunnen, und ich kann meine Flasche auffüllen.
Ich bin endlos erschöpft, als ich ohne weiteren Zwischenfall am Hostel ankomme. Ich kann laut Webseite allerdings erst um dreizehn Uhr einchecken, und jetzt ist es gerade mal zehn! Ich klingele an der Tür, und eine Frau öffnet. Sie möchte mich weg schicken, da sie mich nicht versteht. Ich zeige ihr meine Buchung und deute an, dass ich unendlich müde sei und dringend schlafen müsse.
Jetzt geht sie zu einem kleinen Tresen in der Ecke und telefoniert. Ich bleibe im Hausflur stehen und stütze mich währenddessen auf meinen Pilgerstab, meinen Rucksack kann ich kaum noch halten.
Das Telefonat erweist sich als erfolgreich, ich darf rein.
Wie sehr ich mich über das Bett freue, ich möchte einfach nur schlafen. Ich habe ein Doppelbett und einen Fernseher, allerdings empfängt der nur spanische TV Sender. Eine Tür führt in eine Art Vorraum, von dem man links in die Waschküche und Vorratskammer gelangt und geradeaus auf eine Terrasse. Um die Terrasse herum sind nur hohe Mauern und andere Gebäude, also nichts, wo es schön wäre zu sitzen. Von hier bekomme ich mein einziges Tageslicht.
Schließlich weihe ich mein Klo ein, und zwar richtig. Ich will jetzt nicht zu sehr ins Detail gehen, aber es kommt wie Wasser, was heißt, ich muß jetzt handeln, sonst vertrockne ich. Ich verfasse einen Text, den ich anhand einer App ins Spanische übersetze:
Entschuldigung, können sie mir bitte helfen? ich habe starken Durchfall und Fieber. ich brauche Elektrolyte aus der Apotheke und Bananen. ich kann leider selber nicht gehen. ich bezahle natürlich für die Medikamente und die Bananen und für die Mühe.
Diesen Text zeige ich der Frau, die mich rein gelassen hat, woraufhin sie eine Bedienstete los schickt, um mir die Sachen zu besorgen.
»Dinero« sagt sie, und zeigt mir anhand einer Geste, dass sie Geld braucht, woraufhin ich ihr dreißig Euro gebe.
Nach einer Weile kommt sie zurück mit einer Tüte voller Medikamente wie Elektrolyte Pulver zum Mischen mit Wasser, Tabletten gegen Durchfall und etwas zur Wiederherstellung der Darmflora, sowie Bananen, Joghurt und mehreren Flaschen Wasser. Die übrigen vier Euro gebe ich als Trinkgeld. Ich bekomme auch ein Fieberthermometer, damit ich meine Temperatur kontrollieren kann. Sie ist leicht erhöht mit etwas über 38 Grad. Das Elektrolytezeug schmeckt scheußlich, aber ich trinke brav unendlich viel davon. Meistens kommt es unmittelbar danach wieder raus, aber wenigstens sorge ich für stetigen Ausgleich.
So geht mein Tag dahin. Ich schlafe, friere, kacke, trinke. Meinen Aufenthalt habe ich direkt um einen weiteren Tag verlängert, denn mir ist klar, dass ich morgen nicht fit sein werde.
Die Herbergsmutter erkundigt sich noch mal bei mir, bevor sie nach Hause geht und sagt, dass sie morgen früh um acht Uhr wieder da ist.
Ich möchte auch nach Hause.
Strecke: 3,8 km / Schritte: 5870