Wohin und Warum

»Was ist ihre Motivation den Jakobsweg zu gehen?« werde ich am Ortseingang von Palas de Rei von einer Frau gefragt, die unter einem Holzverschlag steht und Pilgerstempel vergibt. Ich zögere, während ich in meinem Rucksack nach meinem Pilgerpass krame. So ganz weiß ich nicht, was ich sagen soll.

»Ich suche Antworten auf einige Fragen und noch ein paar andere Dinge«, fällt mir spontan ein, obwohl das gar nicht die Absicht meiner Pilgerfahrt war. Ursprünglich wollte ich einfach nur wandern und zelten, den Traum von Abenteuer und Romantik leben, aber der Weg hat mich eines Besseren belehrt. Und den Jakobsweg habe ist nur gewählt, weil ich Freunde und Familie beruhigen wollte. Alleine als Frau unterwegs? Ach du meine Güte! Mit Rucksack und Zelt? Um Gottes Willen! Im Wald schlafen? Du hast sie ja nicht mehr alle! Warum David nicht mitkommt ist meistens die nächste Frage, aber ich finde, den Jakobsweg muss man einfach alleine gehen, und das ist auch mein Wunsch. David akzeptiert das. Er hat mich als Abenteuerin kennengelernt und weiss, dass er mich ziehen lassen muss, wenn es mich packt.
Schliesslich entscheide ich mich für den rund 800 Kilometer langen Camino Francés. Dieser führt von Saint-Jean-Pied-de-Port in Frankreich über die Pyrenäen durch Navarra, weiter durch das Baskenland, La Rioja, Kantabrien, Asturien und Kastilien-León bis nach Santiago de Compostela in Galizien. Die Strecke umfasst mehrere Klimazonen, aber keine Nacht sollte im Juni so kalt werden, dass ich in meinem Zelt frieren würde. Perfekt. Und ich habe noch ein ganzes Jahr Zeit um zu planen und mich mental darauf vorzubereiten. 

Meinen Rucksack habe ich ein halbes Jahr vorher bis auf ein paar Kleinigkeiten bereits fertig gepackt. Wirklich Probegelaufen bin ich damit allerdings nie. Ohne Wasser und Proviant wiegt das gute Stück laut meiner Personenwaage neun Kilogramm, demnach werden elf bis zwölf Kilo schnell erreicht sein. Was lange Strecken und Wandern angeht, da bin ich fit. Meine Wanderschuhe habe ich auch schon so einige lange Touren getragen, da mache ich mir wenig Sorgen. Allerdings bin ich tatsächlich noch nie mit so viel Gepäck auf dem Rücken unterwegs gewesen, und schon gar nicht für Strecken von mindestens zwanzig Kilometer jeden Tag über mehrere Wochen. 

Gekürzter Kamm und Zahnbürste. Jedes Gramm zählt.

Also, ich zähle mal auf:
Zelt, Schlafsack, Isomatte (leicht gekürzt zur Gewichtsreduzierung), Regenponcho, Sandalen, faltbare Schüssel, Pipiflasche (man weiß ja nie, wo die Not so zuschlägt), 2 kleine Gaskartuschen, Mini Kocher, Titan Topf, 3 Liter Wasserbeutel, Waschlappen als Handtuchersatz, Waschzeugs und Cremes – alles in Mini Dosen abgefüllt, Reiseapotheke und Pflaster, Minimal Kleidung (muß halt immer gewaschen werden und tagsüber am Rucksack trocknen), Sonnenhut, faltbarer Trinkbecher und Tagesrucksack für Stadtbesichtigungen am Nachmittag, Bauchbeutel für Wertsachen, Sportuhr, Powerbank, mp3 Player, Schnüre, Zeckenzange, Trillerpfeife, Taschenmesser, Kopflampe, Ohrstöpsel, Wäscheklammern, kleine Karabiner um Sachen am Rucksack befestigen zu können, Tagebuch und Bleistift, und eine Tüte mit Kaffeepulver, Teebeuteln, Zucker und Milchpulver und schließlich meine Jakobsmuschel, das Symbol des Weges, die an den Rucksack gehängt wird.
Regenhose und Nalgene Trinkflasche habe ich am Ende doch weg gelassen. Die Beine können ruhig nass werden, und eine normale PET Flasche wiegt weniger. Wie gesagt, jedes Gramm zählt!

Ich versuche so minimalistisch wie möglich zu sein, so nehme ich an Kleidung lediglich eine lange Wollhose mit und eine kurze dünne Wanderhose. Ausserdem zwei T-Shirts, eine sehr dünne und federleichte Leinenbluse, eine leichte Windjacke und einen Fleece Pulli. Zwei Paar Socken und 2 Schlüpfer reichen auch – während ein Paar getragen wird, trocknet das andere gewaschen am Rucksack.

Ich freue mich über ein paar Worte